Präsentismus: Arbeiten trotz Krankheit

Viele Menschen in Deutschland tun das: Sie gehen arbeiten, obwohl sie sich krank fühlen. Dieses Phänomen nennt sich Präsentismus. In der Pflegebranche ist es besonders verbreitet. Viele Beschäftigte tendieren im Arbeitsalltag häufig dazu, eigene Belastungsgrenzen aus Loyalität zum Team zu überschreiten. Sie sind der Überzeugung, dass sie ihrem Unternehmen und den Kolleginnen und Kollegen etwas Gutes tun, wenn sie krank zur Arbeit erscheinen. Ein weiterer Grund für Präsentismus: Mitarbeiter in Gesundheitsberufen bauen eine persönliche Beziehung zu den Menschen auf, um die sie sich kümmern und fühlen sich für sie verantwortlich.

Somit kann auch der Verzicht auf Krankmeldungen trotz gesundheitlicher Probleme zu sinkenden Krankenständen beitragen. Der Fehlzeiten-Report 2021 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) hat gezeigt, dass fast jeder Siebte (13,2 Prozent) der befragten AOK-Mitglieder entgegen dem Rat des Arztes krank zur Arbeit gegangen ist. 2019 war es sogar noch jeder Vierte.

In Zeiten wie der Corona-Krise zeigt sich ein negativer Aspekt des Präsentismus ganz deutlich: Wer krank zur Arbeit geht, bringt immer auch das Risiko der Ansteckung mit an den Arbeitsplatz.

Gerade unter COVID-19 ist daher der Arbeitsschutz anzupassen. Das ist nun in einem neuen Standard erfolgt, den das Bundesministerium für Arbeit im April 2020 veröffentlich hat. Darin sind die geltenden Bestimmungen um strengere Hygiene- und Abstandsregeln ergänzt.

Die Ursachen für Präsentismus sind demzufolge vielfältig:

  • Arbeitsbezogen: Dazu zählen hohe Anforderungen an die Arbeitsmenge und -zeit, persönliche Konflikte oder die Übernahme von Führungsaufgaben.
  • Personenbezogen: Hohe Arbeitszufriedenheit, die emotionale Bindung an die Organisation und hohes Arbeitsengagement sind Faktoren, die den Präsentismus befördern können.
  • Organisationsbezogen: Vorerfahrungen mit Diskriminierung, Angst um den Arbeitsplatz oder eine strikte Anwesenheitspolitik leisten ebenfalls dem Präsentismus Vorschub.

Dabei birgt Präsentismus viele Risiken für Belegschaft und Unternehmen. Die Betroffenen erholen sich nicht angemessen, Krankheiten können chronisch werden und Beschäftigte fallen dann womöglich noch länger aus. Im Falle von Infektionskrankheiten können Teammitglieder angesteckt werden. Auch das Fehler- und Unfallrisiko steigt nachweislich. Gerade in der medizinischen und pflegerischen Versorgung können Fehler aber schwere Konsequenzen nach sich ziehen und kranke und pflegebedürftige Menschen in Gefahr bringen.